Kästner war hier und aß Apfelstrudel im Waldcafe
Eine Begegnung mit einem großen Literaten!

Es jährt sich heuer zum 90. Mal, dass die Werke, die Bücher des berühmten Erich Kästner – der mit „Emil und seine Dedektive“ oder mit „Das doppelte Lottchen“ bekannt und zu einem der wichtigsten deutschen Literaten wurde – vom Hitler-Regime als verboten erklärt und in Verruf gebracht wurden, worunter sein Ansehen litt und mehr als geschmälert wurde. Erich Kästner, einer, den die Zillertaler, speziell die Mayrhofner, kennenlernen durften. Er weilte nämlich von März bis Anfang Juli 1945 in der Edergasse, wohnte bei Familie Tipotsch in der Pension Steiner. Und dort sitze ich gerade, trinke ein Glas Wasser und unterhalte mich mit Elisabeth und Martin, die mir viel zu erzählen haben …
Zur Popularität Erich Kästners trug einerseits sein frühes Erkennen der nationalsozialistischen Grausamkeiten und damit verbunden sein revolutionärer Einsatz bei. Als seine Bücher zerstört wurden, stand er daneben. Andererseits war es sein charakteristisches Schreibtalent, das ihn bereits in jungen Jahren berühmt machte. Dr. Sebastian Schmideler hält im Leipziger Universitätsmagazin fest: „Kästner war ein Ausnahmetalent und konnte treffsicher formulieren. Man braucht gar nicht erst versuchen, das zu kopieren. Vorbild kann bis heute sein Mut sein, auch nach 1933, als seine Bücher verbrannt worden sind, an einer Kinderliteratur der Moderne im Dienst demokratischer Kultur festgehalten zu haben – unter sehr schweren Bedingungen in der sogenannten ‚inneren Emigration‘. Heutige Studierende dürfen sich glücklich schätzen, dass ihnen solche ‚Bewährungsproben‘ erspart bleiben.“
Kästner schrieb auch im Ausland, unter einem Pseudonym. Beispielsweise kennen viele „Münchhausen“. Seine klare Sprache, kombiniert mit Satire und Scharfsinn für das Wesentliche, zeichneten ihn aus. Was ihn noch auszeichnete, und was man von seinem Aufenthalt im Zillertal noch weiß, das erfahre ich jetzt, als ich nach dem ganz großen Intellektuellen des deutschsprachigen Raums frage, der einst im Haus von Elisabeth und Martin gewohnt hat. Elisabeth erzählt: „Es waren ja schon Leute da, die nachfragten. Studenten oder Reporter vom Westdeutschen Rundfunk, die 1986 unsere Mutter befragten und einige andere. Ja, ich weiß noch von der Schwiegermutter, dass er oben im zweiten Stock zwei Zimmer hatte. In einem hat er geschlafen, in einem geschrieben. Nachmittags saß er gern im Waldcafe und hat dort geschrieben. Er war ja geheim da. Es durfte keiner wissen.“ Martin ergänzt: „Was die Mutter mal erzählt hat: Er ist mit der UVA, das war eine Filmgesellschaft, gekommen, um angeblich einen Film zu drehen. Die Filmkassetten waren allerdings leer. Es war halt eine Möglichkeit, dass er aus Berlin heil rauskam. Eigentlich ist er geflüchtet. Durch den langen Aufenthalt hier bei uns ist eine freundschaftliche Beziehung entstanden, die nach Kriegsende leider nicht mehr gepflegt wurde. Das fand die Mutter schade.“
Martin zeigt mir Zeitungsausschnitte und alte Fotografien, bedauert, dass auf keinem Bild Kästner drauf ist, holt eine von Otto Moroder geschnitzte Kästner-Büste herbei und hält ein spezielles Buch in der Hand. Dabei erzählt er weiter: Das Notabene, das tagebuchmäßig geschrieben wurde, enthält viele Passagen aus Mayrhofen und ist ein gehaltvolles emotionsreiches Zeitzeugnis. Ein gewaltiges. Das sollte man gelesen haben. Und irgendwann, wenn wir mal in Rente gehen, werden wir wohl nach Dresden aufbrechen.
Martin schaut schmunzelnd zu Elisabeth. Ja, Dresden ist sicher für Kästner-Fans ein Highlight. Dort ist Kästner geboren und aufgewachsen. Ein Museum ist ihm dort gewidmet.
Also: Wer von Kästner was lesen möchte, bitte die nächste Bücherei aufsuchen, in den Buchhandlungen vorbeischauen oder in den Zug nach Dresden steigen.
Elisabeth und Martin sage ich ein herzliches „Vergelt‘s Gott“ für die Informationen. Allen wünsche ich viel Spaß beim Lesen! Kästner hinterlässt Weltliteratur mit einem Hauch von Mayrhofen. M.W.