Goethe und seine Liebe zu Zillertaler Mineralien
Er beobachtete die Natur, sammelte Steine und Pflanzen
Wanderhändler von 1797
Prescher berichtete 1978, dass Johann Wolfgang von Goethe nicht nur eine Vielzahl an literarischen Werken hinterlassen hatte, sondern auch eine bedeutende geowissenschaftliche Sammlung von ca. 23.000 Stück. Bei einer vergleichenden Betrachtung der dabei vorhandenen österreichischen Minerale und Gesteine fällt auf, dass die Zahl der aus Tirol stammenden Stücke bei weitem an der Spitze liegt. Das Hauptfundgebiet ist das Zillertal, von wo sich Almandin, Asbest, Cyanit, Adular, Talkspat, Amphibol, Diopsid, „Gelb Menak“ mit Adular vom Goldbergwerk am Rohrberg, Strahlstein usw. in der Sammlung befinden.
2021 durfte die – nur für wissenschaftlich interessiertes Fachpublikum – riesige Mineraliensammlung in Weimar auf der Suche nach Mineralien aus dem Zillertal von Hubert Klausner und Walter Ungerank besichtigt werden, und weitere Recherchen begannen. In den Jahren 1784 bis 1786 hatte Belsazar Hacquet, ein Professor für Naturgeschichte in Lemberg, eine Reise durch die norischen Alpen unternommen und u. a. die wegen ihrer Mineralien beliebten Zillertaler Alpen beschrieben. Diese Bücher hatten Goethe als Leitfaden für seine mineralogischen Beobachtungen gedient. Die Erfassung der Mineralogie und die Erforschung der Geologie der Alpen waren weitgehend Neuland. Dies war sicher der Grund, warum sich Goethe vor allem für Mineralien aus dem Zillertal interessiert hatte. Hacquet hatte ebenso von seiner Reise durch die Norischen Alpen (1784 – 1786) berichtet, „dass in Breitlahner ein Jäger mehrere Quadratschuh große Granatplatten vom Wackseckerkar angeboten habe“. Er hatte weiters geschrieben, dass dort „ganz senkrechte Wände gebildet seien und Glimmer, Granate und etwas Quarz vorkommen. Auf sehr großen Platten sei auch Strahlschörl.“ Hier dürfte er sicher die Hornblende gemeint haben. Zudem hatte er erwähnt, dass „die zwölfseitigen Granate (rubinfarbige Körner), die zu Schmuck verarbeitet würden, erst kürzlich auf den Alpen Grawand an dem Orte Hühnersteig entdeckt worden seien und in schneeweißem, glänzendem Glimmer und ebenso gefärbtem Quarz steckten.“
Am 21.3.1790 war Goethe über den Fernpass und das Mieminger Plateau zum Schloss Ambras gereist und hatte die damals noch auf dem Schloss komplett vorhandene, berühmte Ambraser Er beobachtete die Natur, sammelte Steine und Pflanzen Goethe und seine Liebe zu Zillertaler Mineralien Sammlung von Erzherzog Ferdinand II. (1529 – 1595), welche 1805/06 nach Wien gebracht worden war, besichtigt.
Zeltenthal oder Zillertal
Im Jahre 1817 hatte es in Innsbruck einen Mineraliensammler gegeben, den Hauptmann von Algener, und über K. v. Preen aus Braunschweig war eine Sammlung von Tiroler Mineralien zu Goethe gelangt, welcher drei Diopsidkristalle aus dem „Zeltenthal“ erworben hatte. Am 23. August 2021 wurden diese Exemplare von Klausner und Ungerank besichtigt und eindeutig als Zillertaler Diopside bestimmt. Da diese Kristalle über diverse Händler zu Goethe gelangt waren, war aus dem Zillertal ein „Zeltenthal“ geworden. 1818 vom Direktor des Hofnaturalienkabinetts (heute Naturhistorisches Museum Wien) Carl von Schreibers an Goethe geschickt: Granat in Granit, Granaten und Strahlstein in Chloritschiefer, Quarz, Asbest, Periklin auf Hornblendegestein. Im Jahr 1822 hatte Heinrich von Schönau aus dem „Zeltenthal“ weitere Diopsidkristalle an Goethe verkauft. Im Dezember dieses Jahres hatte vermutlich Großherzog Carl August ihm noch eine weitere Suite von 37 Stück aus dem Bereich des gesamten alten Tirols geschenkt, darunter Cyanit aus dem Zillertal und Spargelstein vom Grainer im Zillertal. Paul Schönherr hatte im Jahre 1826 olivgrüne Diopsidkristalle auf der „rothen Wand“ (Rotkopf im Zemmgrund) gefunden und diese in München 1827 verkauft. Interessanterweise befinden sich in der Goethesammlung schon ab 1817 Diopside, denn die erste schriftliche Erwähnung solcher Kristalle wird mit 1826 datiert. Die Diopside in der Sammlung von Goethe können zwei verschiedenen Fundorten am Rotkopf im Zemmgrund zugeordnet werden, und auf der Suche nach dem Entdecker der großen Diopside kommt eigentlich nur Schönherr infrage. Laut Egg (1990) hatte am 15.6.1826 die Nationalsängergruppe Leo in Weimar vor dem Dichterfürsten Goethe gesungen und dieser ihnen ein Bild mit Unterschrift gewidmet. 1829 hatten sie abermals „in Weimar bey dem berihmten Dichter“ gesungen, später in Prag vor dem ehemaligen Tiroler Statthalter, 1830 wieder in Thüringen usw. Im März 1829 hatten wieder Mineralienhändler aus dem Zillertal Weimar besucht und auch Goethe „hübsche Sachen“ angeboten. Nach Rücksprache mit dem Salinendirektor Glenck und Hofrat Soret hatte dann Goethe ca. 300 Zillertaler Mineralien gekauft. Darunter Cyanit (Disthen), der momentan im Naturparkhaus Ginzling zu sehen ist.
Die erwähnten Händler dürften mit größter Wahrscheinlichkeit Heinrich Schönherr oder Josef Hofer gewesen sein. Als eventueller Beweis dienen die schlecht getrommelten Granate und jene Diopside, welche erstmals 1826 von Paul Schönherr gefunden worden waren. Laut vorliegender Unterlagen hatten die Familien Schönherr – Leo – Hofer gute familiäre Kontakte gepflegt und konnten sicher ebenso gemeinsame geschäftliche Interessen verfolgen. Die Familie Hofer hatte Granatgruben besessen und europaweite Handelsbeziehungen aufgebaut – Josef Hofer zudem 1851 – 1860 das Amt des Bürgermeisters von Zell a. Z. inne -, die Familie Schönherr regen Handel mit Mineralien betrieben, die Familie Leo war in Europa als bestbekannte Sängerfamilie „Leonen“ weit umhergekommen (ihr Elternhaus war der „Wagner“ in Zellbergeben). Im Jahre 1889 war im Inventarbuch des NHM Wien unter Nr. G 7673 vermerkt worden, dass Heinrich Schönherr aus Zell a. Z. dorthin einen 21 x 17 x 8 cm großen Diopsid (Klotz) mit Kristallausbildung von dunkelgrüner Farbe von der Alpe Schwarzenstein verkauft hatte. Aufgrund dieser Fakten ist anzunehmen, dass Heinrich Schönherr dazu beigetragen hatte, dass so viele Zillertaler Mineralien und Kristalle nach Weimar zu Goethe gekommen waren, und die vielen Proben von Asbest und Granate könnten aus dem Bestand des Josef Hofer stammen. Der größte Diopsidkristall, ein Disthen und getrommelte Granate aus der Sammlung von Goethe befinden sich momentan als Leihgabe vom Goethe-Nationalmuseum Weimar in Ginzling in der Ausstellung „Verborgene Schätze“.