Franz Wechselberger erzählt vom „altn Doktar“
Chronikteam Mayrhofen
Schon im 16. Jahrhundert hatte es in Mayrhofen einen Wundarzt gegeben, der allerdings sein Handwerk ohne universitäre Ausbildung ausübte. Erst 1895 kam ein studierter Mediziner, Dr. Lambert Raitmayr aus Lans bei Innsbruck, nach Mayrhofen. Der junge 28-jährige Arzt wurde von der Gemeinde laut Protokoll vom 13. Oktober zum Sprengelarzt bestellt.
Gemeindearzt unter den damaligen Bedingungen war an und für sich schon eine riesige Aufgabe. Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie es damals ohne Mobilität, Straßen und Telefon gewesen sein muss. Seine Zuständigkeit als Arzt umfasste Mayrhofen, Ginzling–Dornauberg und fünf weitere Gemeinden: Tux, Finkenberg, Brandberg, Schwendau und Schwendberg.
Was es damals vor 120 Jahren für den „Doktar“ bedeutete, zu einem damals noch üblichen Hausbesuch, einem Schwerkranken oder Verunglückten in die Hochtäler oder auf steilen Berg gerufen zu werden, nicht selten bei widrigen Wetterverhältnissen, ist heute nicht mehr vorstellbar. Man wusste es damals genau: „Der Doktar Raitmayr kimmt.“, man wusste, dass er jede Strapaze, um Hilfe und Erleichterung zu bringen, gerne auf sich genommen hatte.
Viele Jahre schaffte er es allein, diesen ausgedehnten Sprengel verantwortungsvoll zu betreuen. Sein Ruf als gewissenhafter Arzt und Helfer in jeglicher Not brachte ihm die Ehrenbürgerschaft in den Gemeinden Mayrhofen, Tux, Finkenberg, Schwendau, Schwendberg und Brandberg ein.
Dr. Lambert Raitmayr wohnte mit seiner Familie in der Scheulingstraße 130, im sogenannten Klockerhäusl, später „Doktarhaus“, heute Cafe Edelweiß. Neben seinen ärztlichen Aufgaben war der „Doktar“ ein humorvoller Gesellschafter. Er verstand es, mit seinen in Mayrhofen gewonnen Freunden einen aufgeschlossenen Gemeinsinn zu wecken, zum Wohle der Mayrhofner Bevölkerung.
Auf Anregung von Dr. Lambert Raitmayr wurde 1900 die Wassergenossenschaft Mayrhofen–Dorf gegründet und mit dem Bau der ersten Hochdruckwasserleitung von der sogenannten Bruggerquelle begonnen. Unbezahlbar sauberes, frisches Wasser direkt aus dem Berg für die Mayrhofner und seine Gäste, aber auch Löschwasser zur Bekämpfung der damals doch häufigen Feuersbrünste.
Der „Doktar“ war ebenfalls der, der gemeinsam mit seinem Feund Hans Moigg, Wirt vom Neuhaus, am 14. Juni 1900 die Spar- und Darlehnskasse (Raiffeisen) für die Gemeinden Mayrhofen, Finkenberg und Brandberg gegründet hatte.
Als langjähriger, schneidiger Hauptmann der Schützenkompanie Mayrhofen wurde er zu ihrem Ehrenhauptmann ernannt. Als langjähriger Gemeinderat verstand er es, durch klug ausgedachte Einheitslisten die berufs- und interessenmäßige Zusammenstellung von Gemeinderatswahlvorschlägen der Bevölkerung unter einen Hut zu bringen.
1903 gewann er einige Freunde unter den Sommergästen, vor allem Ing. Hubert Steinach aus München, zur Finanzierung des Mariensteiges bis Astegg und etwas später weiter des Agathesteigs auf den Penken. Er war außerdem derjenige, der mit einigen Gleichgesinnten die große wirtschaftliche Bedeutung des Alpenvereins erkannte. Als Mitbegründer war er viele Jahre im Vorstand des heute noch immer florierenden Alpenvereins, Sektion Zillertal.
Im Mai 1915 wurde Raitmayr als Regimentsarzt der Zillertaler Standschützen an die Valsugana-Front einberufen. Zu seinem Offiziersassistenten (Pfeifendeckel) machte er August Knauer. Somit war der Arztsprengel von Mayrhofen verwaist. Für die Not konnten der Zeller Arzt Grasser und der Fügner Arzt Rainer einspringen. Die Versorgung der Kranken litt in dieser Zeit schwer. Als der Krieg endlich vorbei war, kehrte „inser Doktar“ Lambert Raitmayr in seinen Mayrhofner Wirkungskreis zurück. Hoch dekoriert mit dem Goldenen Verdienstkreuz mit Schwertern, dem Orden „Sigmund Laudis“ und dem Franz-Josef-Orden mit Schwertern.
In den schweren Nachkriegsjahren wusste man in Mayrhofen, dass die schlechte wirtschaftliche Lage mit dem Wiederaufleben des Fremdenverkehrs verbessert werden könnte. Im damaligen Verschönerungsverein spielte der „Doktar“ gemeinsam mit seinem Freund und Fremdenverkehrspionier Hans Moigg eine wichtige und fruchtbringende Rolle.
Nach dem ihm 1918 der Titel „Medizinalrat“ verliehen worden war, trat er erst 1952, in hohem Alter, in den ärztlichen Ruhestand und war bis zuletzt als angesehener Augenspezialist gefragt.
1953 besuchte ihn sein spezieller Freund, der damalige Bundespräsident Theodor Körner, in seinem Haus in Mayrhofen und ernannte ihn zum Obermedizinalrat.
Es gäbe noch viel Verdienstvolles aus dem begnadeten langen Leben des Dr. Lambert Raitmayer und seinem segenreichen Wirken, das zum Teil heute noch seine Gültigkeit hat, zu erzählen. Wir erinnern uns respektvollvoll an diesen großen Ehrenbürger unserer Gemeine Mayrhofen, der am 19. Jänner 1954 verstorben ist.
Eine kleine Begebenheit aus seiner Praxis:
A Tuxerin klagt über Bauchweah, der Doktar schaut si den Bauch u und frogt: „Ham Sie an Stuhlgang?“
Die Tuxerin: „Doktar, mir ham an Hausgang und an Labmgang ober an Stuahlgang, Doktar, mun i, hot wöll an gonzn Tüx innen kuaner.“
I erzähl enk,
des oder des
wos i her oder les.
I erzähl enk,
vu herinnen und aussn
obm oder untn
wo die Hose gebundn.
I erzähl enk,
vun Uan und vun Andang
wias gewesen isch darmit
ob alls wahr ischt woas i
natürlich nit.
Gruß Franz
Fotos: Chronikteam Mayrhofen