Erdmannsdorf – ein Rückblick
Gedenkfahrt ins frühere Zillerthal
Mit dem sogenannten „Toleranzpatent“ wollte Kaiser Joseph II, Sohn Maria Theresias, am 13. Oktober 1781 bereits kurz nach Beginn seiner Regentschaft für eine Grundlage des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Glaubensbekenntnisse sorgen. Einige Zeit nach dessen Inkrafttreten zeigten sich politische und kirchliche Machthaber unbeeindruckt von dieser kaiserlichen Anordnung. 1837 wurden Menschen jeden Alters protestantischen Glaubens aus ihren bisherigen Zillertaler Anwesen ausgewiesen. 427 Personen waren vom Leid einer verlorenen Heimat betroffen. Auf Bitte des damaligen „Auswanderer-Anführers“ Johann Fleidl schenkte ihnen König Friedrich Wilhelm III von Preußen Land, um sich in Schlesien – heute polnisches Staatsgebiet – im Hirschberger Tal anzusiedeln. Die im Tiroler Baustil errichteten und noch teilweise im Originalzustand sichtbaren Häuser zeugen noch heute von der damaligen Verbundenheit zum Zillertal.
„Niemals vergessen“ war das Motto der Ende September durchgeführten Fahrt einer 30-köpfigen Reisegruppe aus Tirol ins Riesengebirge. Willkommener Anlass hiezu war die Eröffnung des sogenannten „Tiroler Hauses“ vor 25 Jahren.
Unter Organisation von Schützenhauptmann Georg Huber, Mag. Andrea Petritsch von der evangelischen Kirche Jenbach und Gemeinde Mayrhofen wurde den Teilnehmer*innen über drei Tage ein interessantes Programm geboten. Zu den Höhepunkten gehörte der Empfang durch den Bürgermeister von Myslakowice, Michal Orman, und die dortigen „Landfrauen“ am Anreiseabend, die Besichtigung der aus Norwegen 1844 nach Schlesien
transferierten Kirche „Wang“ mit Führung durch Pfarrer Edwin Pech am darauffolgenden Tag sowie der ökumenische
Gottesdienst unter Leitung des polnischen Bischofs. Eine ganz besondere Note als „kulturelle Visitenkarte aus Tirol“ verlieh den Feierlichkeiten und den gesellschaftlichen Zusammenkünften die musikalische Umrahmung durch die Musikgruppe „Tiroler Pilgerblech“ unter Werner Eberl. Ein weiteres offizielles Gedenken an das Leid der 1837
Vertriebenen war die Kranzniederlegung beim Denkmal des Johann Fleidl samt Ehrenbezeugung durch die Abordnung der Ramsauer Schützen und eine fachlich fundierte Rückschau durch Herrn Horst Bast als langjährigem Forscher und Kenner des Auswandererthemas sowie Buchautor gemeinsam mit seiner Frau Helga, einer Nachfahrin der Auswanderer. (siehe vertiefend www.@1837-auswanderer.de)
Das „offizielle Zillertal“ wurde repräsentiert durch Mayrhofens Kulturreferentin Gemeindevorständin Burgi Huber und Bürgermeister Fritz Steiner aus Ramsau als Vertreter der Bürgermeister früherer Auswanderergemeinden, davon mit 118 Personen Ramsau als seinerzeit am meisten betroffene Region. Die Gastfreundschaft in Polen, beginnend mit dem freundschaftlichen Kontakt mit Pfarrer Edwin Pech über die Bemühungen musikalischer und kulinarischer Art
durch die Landfrauen unter Maria Patejuk-Stenzel, war hinreißend. Die Rückfahrt am Sonntag nützen wir zu einer Besichtigung der „Goldenen Stadt“ Prag – für viele ein beeindruckendes Erlebnis zur Abrundung eines interessanten Wochenendes.
Zusammenfassend war es einhellige Meinung der Reisegruppe, sich des Schicksals der damals Vertriebenen auch in der Gegenwart immer wieder bewusst zu werden, dass wir in Österreich in der glücklichen Lage sind, in einem friedlichen Land zu leben und nicht weit über unsere Landesgrenzen schauen zu müssen, um auch noch im 21. Jahrhundert unerträgliche Zustände durch Kriegsgeschehnisse zu beobachten.
AL Dr. Stöckl