Ein Gespräch mit Architekt Dipl.-Ing. Hans-Peter Kircher aus Bruck
Zillertaler modernisieren, planen, bauen großzügig. Zu großzügig?
Wenn wir uns montags in der Redaktion treffen, ist das normalerweise keine besonders aufregende Sache. Aufregend wird´s erst, wenn wir uns über mögliche Wochenthemen unterhalten, wenn wir nach einem nicht alltäglichen Wochenmotiv suchen und fündig werden. So wie gerade eben. Wir schreiben heute in erster Linie übers Bauwesen und präsentieren dazu eine interessante Persönlichkeit, die wir in der Gemeinde Bruck gefunden haben. Dieses „Architekturinterview“, das uns Hans-Peter Kircher freundlicherweise gegeben hat, solltest du dir nicht entgehen lassen.
Wir wissen, dass das Zillertal zu den Top-Regionen Österreichs zählt. Die starke touristische Lage, die Courage und Gastfreundschaft der Bevölkerung, Fleiß oder unternehmerisches Wirken, all das, so meinen wir, wirkt sich positiv auf die Baubranche aus. Wie genau, das haben wir nachgefragt.
Zillertaler modernisieren, planen um, bauen geräumig und oftmals auch großzügig. Zu großzügig in Bezug auf Grünraumressourcen?
Nein, das glaube ich nicht. Die Wohnraumbeschaffung erfolgt für junge Familien größtenteils nur mehr über An- und Aufbauten bei bestehenden Häusern, alles andere ist nicht mehr leistbar. Möglich sind solche Nachverdichtungen, weil früher größere Grundstücke gewidmet worden sind. Deshalb finde ich es auch bei heutigen Neuwidmungen sinnvoll, eine spätere Nachverdichtung mitzudenken. Auf längerem Zeitraum betrachtet, erreicht man so hohe Baudichten und einen bodensparenden Umgang. In den Gemeinden, in denen ich Raumordner bin, ist mir das ein Anliegen. Die heutige Linie in der Raumordnung ist es, möglichst gar keine Grundstücke mehr zu widmen oder sehr kleine. Ich finde einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden für absolut wichtig und gut, aber ein Bild zu entwerfen, wonach es keine Flächen mehr gibt, halte ich für nichtzutreffend. Meistens fällt als Lösung für günstiges Bauland das Schlagwort Baulandmobilisierung. In nächster Zeit ist mit einer Abgabe auf gewidmete Grundstücke zu rechnen, die die Eigentümer zum Verkauf anregen soll, wodurch man sich ein Fallen der Grundstückspreise erwartet. Das halte ich für eine völlige Fehleinschätzung. Nehmen wir an, die Preise fallen um 40 %, was ich sowieso nicht erwarte. Dann würde sich bei dieser Annahme der Quadratmeterpreis für ein Baugrundstück von aktuell € 1000,-/m² auf € 600,-/m² reduzieren. € 600,-/m² sind für unsere einheimischen Normalbürger nicht leistbar. Kaufen würden jene, die Geld anlegen wollen. Die enorme Verteuerung bei Grundstücken und Wohnungen ist weniger eine Frage der Raumordnung, sondern vielmehr eine des Grundverkehrs.
Ob es sich um ein Top-Hotel für Urlaubshungrige, Einfamilienhäuser oder gewerbliche Kubaturen handelt, es scheint nichts dabei zu sein, was du nicht entwerfen würdest. Oder?
Mein Spektrum umfasst alle baulichen Aufgaben, vom einfachen Carport bis zu großen Industrieanlagen. In Kärnten bauen wir heuer zum Beispiel eine Anlage für einen Mineralwasserabfüller, daneben viele Privathäuser und Wohnanlagen. 2019 habe ich in Schlitters eine Miet-Wohnanlage fertiggestellt, die nach den Richtlinien der Wohnbauförderung errichtet worden ist. In diesem Gebäude befindet sich heute auch mein Büro. Trotz der erhöhten Energiepreise liegen wir bei einem Quadratmetermietpreis von unter € 11,-/m² Nettogrundrissfläche inkl. Tiefgaragenstellplatz, Heiz- und Betriebskosten und inkl. Küche. Im heurigen Jahr baue ich ein weiteres solches Projekt in der Gemeinde Reith im Alpbachtal. Es entstehen mit dem Sozialzentrum Reith 17
geförderte Wohneinheiten und eine Arztpraxis. Der Bedarf an günstigen Mietwohnungen ist enorm, und die Herausforderung, die von der Wohnbauförderung vorgegebenen Errichtungskosten einzuhalten, ist groß. In Reith bin ich als Bauträger und Totalunternehmer der Partner der Gemeinde bei der Umsetzung des Sozialzentrums. Als Ziviltechniker und gerichtlich beeideter Sachverständiger ist die Ausarbeitung von Gutachten ein weiteres Geschäftsfeld.
Lange Zeit bist du erster Ansprechpartner für viele Gemeinden in Bezug auf die Bausachverständigung gewesen. Welche Fehler werden deiner Meinung nach am häufigsten gemacht? Was ist dir schon alles untergekommen oder richtig herausfordernd gewesen?
Also als ersten Ansprechpartner würde ich mich nicht bezeichnen. Ich bin einer von mehreren Kollegen gewesen, die in unserer Gegend als Bausachverständige eine hervorragende Arbeit leisten. Die Situation ist so, dass die einzuhaltenden Gesetze immer komplexer werden. Wenn dann der Bausachverständige ein Bauvorhaben zurückweißt, entsteht oft Unmut bei den Bauwerbern. Dann sollen vom Sachverständigen Lösungen gesucht werden, was nicht seine Aufgabe ist. Das halte ich für einen
Fehler und auch den Glauben der Bauwerber, dass die Gemeinde eine Servicestelle und dafür verantwortlich ist, dass alles, was gewünscht ist, möglich gemacht wird. Die Verantwortung für die Genehmigungsfähigkeit liegt beim Bauherrn und seinem Planer. Architekten gibt es wenige im Tal, diese haben ein Hochschulstudium und die Ziviltechnikerprüfung abgelegt.
Planer gibt es viele.
Kannst du dich an ein schönes positives Beispiel in Bezug aufs Bauen erinnern?
Ein besonderes Bauvorhaben ist für mich neben vielen schönen Projekten der Schlitterer See, den ich mit 27 Jahren geplant und umgesetzt habe. Als weiteren Meilenstein in meiner Karriere betrachte ich den Raiffeisenplatz in Ramsau mit der Bahnüberführung und dem Spielplatz am Radweg. Erwähnen möchte ich noch die Restaurierungen der Kirchen in Schlitters und meiner Heimatgemeinde Bruck. Ein freudiges aktuelles Projekt wird heuer in Aschau umgesetzt, es handelt sich dabei um den Fischzuchtbetrieb Moser.
Für deine ehrlichen, fachlich kompetenten Antworten danken wir sehr, und allen Bauwerbern wünschen wir das Beste!
M.W.
Foto: Dipl.-Ing. Hans-Peter Kircher