Wasserstoffwirtschaft im Bereich der ZVB AG
Stellungnahme der ZVB zum Leserbrief von Sepp Rinnhofer (KW 30)
Der innovative Wasserstoffantrieb für die neue Zillertalbahn ist unter den speziellen beschriebenen Gegebenheiten die effizienteste und wirtschaftlich günstigste Lösung von allen untersuchten Antriebsformen. Das Wasserstoff-Antriebskonzept des Brennstoffzellentriebzuges (HEMU) wurde anhand umfangreicher Variantenrechnungen ermittelt und die Wirtschaftlichkeit von unabhängigen Gutachtern (KCW 05/2020) überprüft.
Mit der, für den neuen Brennstoffzellentriebzug (HEMU) zu schaffenden, Wasserstoffinfrastruktur werden richtungsweisende Voraussetzungen für die nachhaltige – ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogene – Entwicklung der Tourismusregion Zillertal zu einer dekarbonisierten grünen Wasserstoffregion geschaffen. Im nächsten Schritt wird die Umstellung von Bussen, Pistenraupen sowie Personen- und Lastautos, die schnell betankt und weite Strecken zurücklegen müssen, erfolgen. Die entsprechenden Grundlagenforschungen der regionalwirtschaftlichen Parameter des Aufbaues einer lokalen Wasserstoffwirtschaft sind jedenfalls mit Beteiligung der ZVB AG über das bereits beauftragte Klima- und Energiefonds-Projekt (KLIEN)
„HyWest“ angelaufen.
Den Mehrkosten bei den Brennstoffzellentriebzügen (HEMU) für den neuen Wasserstoffantriebsstrang und der zusätzlich notwendigen Wasserstoffinfrastruktur stehen Einsparungen bei den Elektrotriebzügen (EMU) durch die nicht benötigte, in Investition und Erhaltung sehr teure Fahrleitungsinfrastruktur gegenüber. Auch die Gesamtkosten der Energiebereitstellung sind in etwa auf gleichem Niveau.
Bei der Variante Elektrotriebzug (EMU) muss der elektrische Strom bei Bedarf („Power on Demand“) in Zeiten des höchsten Bedarfs teurer eingekauft werden. Bei der Variante Brennstoffzellentriebzug können die Mehrkosten zufolge des Mehrbedarfs an elektrischer Energie hingegen durch Entkopplung von Produktion und Verbrauch zu variablen und nachfrageschwachen Zeiten bei niedrigem Bedarf über den dann deutlich günstigeren Strompreis ausgeglichen werden („Power to Gas“). Da dieser Mehrbedarf an elektrischer Energie vor allem als Abwärme anfällt, erforscht die ZVB AG projektbegleitend mit einem österreichischen Konsortium, bestehend aus dem Green-Energy-Center in Innsbruck, dem HyCentA in Graz und der Molinari Rail Austria in Schwaz, im Klima- und Energiefonds-Projekt „HyTrain“ die Nutzung dieser Energie, um alle Energieströme optimal zu nutzen und die Kosten weiter zu optimieren. Dadurch wird der Gesamtwirkungsgrad weiter erhöht und nähert sich der klassischen Variante des Elektrotriebzuges (EMU) mit konventioneller Fahrleitung weiter an. Die Versorgung der Elektromotoren der Brennstoffzellentriebzüge (HEMU) mit elektrischer Energie übernehmen sogenannte Brennstoffzellensysteme. Diese wandeln den grünen Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) der Umgebungsluft in elektrischen Strom, Wasserdampf (H2O) und Wärme. Der dafür notwendige grüne Wasserstoff wird gasförmig in Wasserstoffdrucktanks mit einem Nominaldruck von 350 barü im Fahrzeugkasten der Zwischenwagen gespeichert. Diese fassen, mit ausreichend Reserve für durchschnittlich zwei Betriebstage insgesamt 320 kg H2 pro Brennstoffzellentriebzug (HEMU). Um die für das hohe Beschleunigungsvermögen von 1 m/s2 notwendige Traktionsleistung der Elektromotoren von 1.400 kW zu ermöglichen, unterstützen Pufferbatterien die Brennstoffzellsysteme bei diesen Leistungsspitzen.
Da die Lastrichtung am Morgen aus dem Zillertal von Mayrhofen nach Jenbach führt, ist die Betankung der Brennstoffzellentriebzüge (HEMU) an einer Wasserstofftankstelle in Mayrhofen naheliegend. Zur Deckung dieses Wasserstoffbedarfs werden drei Elektrolysesysteme mit einer Leistungsfähigkeit von 3 x 200 Nm3 pro Stunde installiert. Eine vierte Elektrolyseeinheit kann bedarfsgerecht in einer weiteren Ausbaustufe errichtet werden. Durch mehrere Anlagen wird die notwendige hohe Gesamtverfügbarkeit gewährleistet, damit bei Ausfall einer Elektrolyseeinheit die Bahn weiterhin mit ausreichend Wasserstoff versorgt werden kann.
Die Sicherheit im Betrieb hat oberstes Gebot: Für die 68 niveaugleichen Eisenbahn-Kreuzungen der Zillertalbahn entfällt das Risiko der Oberleitung. Landwirtschaftliche Arbeiten und (Schwer-)Transporte können unbehindert und ohne zusätzliche Gefahr durchgeführt werden. Für alle wasserstoffführenden Bauteile gelten strenge europäische Sicherheitsvorschriften. Die dazu erforderlichen Notfallpläne werden verpflichtend umgesetzt. Die Wasserstofftanks der Brennstoffzellentriebzüge (HEMU) sind abgeschottet außerhalb des Passagierbereichs angebracht. Im Notfall (z. B. Brandereignis) wird deren Wasserstoff kontrolliert abgeblasen. Das leichte und für den Menschen und die Natur ungiftige Wasserstoff-Gas verflüchtigt sich dabei rasch nach oben. Damit wird die Bildung eines explosiven Wasserstoff-Sauerstoff- Gemisches im Freien ausgeschlossen.
Wesentlichen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten hat die deutlich gekürzte Fahrzeit (von 51 min auf 45 min) durch den Einsatz der hochmodernen und leistungsfähigen innovativen Brennstoffzellentriebzüge (HEMU) mit deutlich erweiterter Gefäßgröße (450 Plätze). Durch die Erhöhung der Kurtaxe kann eine umlagefinanzierte Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ca. 7,5 Mio. Euro/Jahr) im Zillertal erreicht werden, die den Pensions- und Hotelgästen (Gästekarte = Fahrkarte) eine kostenlose Benützung sämtlicher öffentlicher Verkehrsmittel ermöglicht. Dadurch soll eine nachhaltige Änderung des Mobilitätsverhaltens erreicht werden.
Die Entwicklung der Wasserstofftechnologie ist in den letzten Jahren vor dem Hintergrund der Energiewende sehr dynamisch verlaufen. Die Schaffung energieeffizienter Technologien in Verbindung mit Antriebstechniken gehört heute zu den wichtigen Aufgabenfeldern von Forschungsabteilungen. So arbeitet die Fahrzeugindustrie heute intensiv an neuen Technologien für energiesparende und effiziente Fahrzeuge. Betrachtet man die Strategie von Energie- und Mobilitätsunternehmen genauer, wird ersichtlich, dass die Sektoren Strom und Verkehr im Optimalfall verknüpft werden und aus erneuerbaren Energien gespeist werden sollen (Sektorenkopplung). Vor allem für den öffentlichen Verkehr empfiehlt sich daher der vollständige Ersatz fossil betriebener Fahrzeuge durch Elektromobilität. Die Elektromobilität mit grünem Wasserstoff und Brennstoffzellen bietet den Vorteil deutlich höherer Reichweiten und Tankleistungen und ist daher für Züge, Busse und Pistenraupen sowie Personen- und Lastautos hervorragend geeignet.