„Kreuzwechsel“ mit der Volksbühne Aschau
Im Kreuzfeuer der politischen Orientierung zwischen Geschichte und Gegenwart – und wieder einmal ganz nah am Dorfgeschehen. Die Volksbühne Aschau ist im Zillertal längst Inbegriff für sehenswerte Theaterkultur. Nach dem sehr erfolgreichen „Der Zillertaler“, gefolgt von den ausnahmsweise Tiroler „Alltagsgeschichten“, dem gesellschaftskritischen Stück „Konsum“, bis hin zur aktuellen Neuinszenierung „Kreuzwechsel“, zeigen Martina Keilers Laiendarsteller einmal mehr, was es heißt, sich mutig über starkes, kritisches Volkstheater zu machen, mit schauspielerischer Hingabe und musikalisch treffender Auseinandersetzung. Denn aufrüttelnde Stücke haben nicht an Aktualität verloren. Tief und ehrlich ist der Blick zurück in die braune Vergangenheit. Nein, kein lästiges Thema! Vielmehr eines, welches das Publikum für sich selbst beantworten muss.
Martina Keiler wagt mit ihrem erfolgreichen Theaterverein einen mutigen Schritt, hält uns in gewisser Weise den Spiegel der Geschichte hin, damit wir tief blicken. Dabei geht die Reise zurück in das vom Nationalsozialismus gebeutelte Hitler-Reich, in unsere unmittelbare Heimat, in die Gast- und Wohnstube. Keiler setzt bewusst auf Zeitzeuginnen ihres Tales, die mit ihren ganz persönlichen Erinnerungen die Vergangenheit ganz nah erscheinen lassen. Drei Frauen, die mit ihren individuellen Erlebnissen den Rahmen der Handlung bilden. Eine davon ist Inge als verschlepptes Mädchen Maruschka aus der Ukraine.
Das Buch der ursprünglichen Tragödie „Kreuzwechsel“ in drei Akten, aus der Feder des Tiroler Autors Stefan Hellbert, wird von Keiler gekonnt mit der Jetztzeit verwoben. Ein Klassentreffen in der Gegenwart, Keilers Idee und Erweiterung des Dramas, ist Reflexion genug, um uns das vor Augen zu führen, was einfach nicht mehr passieren darf. Mit wie wenig Kulisse ein Bühnenstück auskommt, veranschaulicht uns „Kreuzwechsel“, bei dem die Charaktere der einzelnen Personen, die schauspielerische Glanzleistung der Agierenden, die Brutalität der 30er-Jahre darstellen und damit im Vordergrund stehen. Das verarmte Volk in den Tälern, in den Dörfern, die Ansehen und Geld heuchelnde männerdominierte Gesellschaft sind ein leichter Fang für den Nationalsozialismus, das Nazitum. Die Gemeindepolitik, die rechte Propagandamache passiert am Wirtshaustisch der Dorfoberen. Wut, Verzweiflung, Angstmache und der reichliche Konsum von Hochprozentigem sind das, das vor keinem Halt macht. Wortgewaltig sind sie alle und schaffen an. Das sind der Bauer, der Ortsbauernführer, der Postmeister, der Lehrer und als lästige, zwar notwendige Randerscheinung der Wirt, den man eigentlich loswerden möchte. Dann sind da noch die ständig wiederkehrenden Parolen für den Führer, die wie Öl im Feuer des politischen Wandels sind. Der Sägewerksbesitzer entpuppt sich als häuslicher Tyrann und Nazi, als wirtschaftlich-ins-Straucheln- Geratener. Die Ungewissheit über die eigene Abstammung der heranwachsenden Generation, gezeichnet von ständiger Geldnot, von Behinderung, sozialer Ausgrenzung sowie einem diskriminierten Hausfrauen- und Mutterdasein, bei der es um Aufopferung für die Familie geht, ohne Aussicht auf Besserung der Lebenssituation, das alles sind Indikatoren dieser schrecklichen Zeit. Eine Zeit der Verzweiflung, des Freitodes und des Mordes. Wäre da nicht die Tochter des Sägewerkbesitzers, eine besonders schneidige, tüchtige und hübsche Erscheinung, die heimlich, hinter dem Rücken ihres vermeintlichen Vaters, beim Wirt ihren Dienst tut, um das mehr als nötige Kleingeld für den finanziellen Unterhalt der Familie zu verdienen. Eine zentrale Figur ist diese Magdalena, eine, mit der man bangt und hofft.
Dass Österreich seine braune Vergangenheit längst abgeschüttelt zu haben scheint, soll das Publikum in Anbetracht von „Kreuzwechsel“ nachdenklich stimmen. Kann es sein, dass sich Geschichte gewissermaßen wiederholt? Im Gasthaus der Gegenwart, in dem das Klassentreffen stattfindet, mit nahezu identen, zeitgewandelten Persönlichkeiten, hat es den Anschein, dass sich im Hier und Jetzt die rechte Propagandamache eingeschlichen hat. Das Gesamtwerk scheint den Schauspielern im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib geschneidert zu sein.
Die Volksbühne Aschau zeigt auf, schweigt nicht und gibt gleichermaßen dem Publikum mit ihrer Inszenierung von „Kreuzwechsel“ eine Bühne. „Kreuzwechsel“ soll Mitdenkende, Mitfühlende und das Publikum aufrütteln und einladen, kritisch zu hinterfragen. Unser Gemeinwohl verlangt nach Handlungen mit Empathie, einem sozialen Verständnis, das im Europa der Vielfalt keine Grenzen kennt. Und einmal mehr gilt: Extreme Entwicklungen dürfen keinen Raum haben. Wir benötigen dringend unseren Positivismus und unsere Zuversicht.
Premiere von „Kreuzwechsel“ ist am Freitag, 13. September, weitere Aufführungen am 20.,September, 3., 4., 10., 13., 26. und 25. Oktober, jeweils um 20.00 Uhr im Theaterwohnzimmer der Volksbühne Aschau. Karten: 0681 101 405 83 (Mi. – So. von 16.00 – 19.00 Uhr), www.volksbuehne-aschau.at
gerdagratz für die Volksbühne Aschau