Der erste Schultag von damals
Erna Schönherr erzählt
Mein erster Schultag war mit Sicherheit einer der aufregendsten Tage meines Lebens. Von den „Großen“ der Nachbarschaft dauernd geneckt: Die Klosterfrau wird es dir schon zeigen, die teilt halt „Patzen“ aus! – habe ich in der Nacht vor dem 24. September 1952 kein Auge zugemacht.
Endlich kam der Morgen. Mama kam in die Kammer und sagte: Aufstehn, jetzt bist du auch eine Schülerin! Ich war eh schon auf und ging über die lange Stiege in die Küche hinunter. Alles war schon vorbereitet. Frische Unterwäsche und -sage und schreibe – neue Strümpfe, braun, gerippt, aus Baumwolle, ebenso ein barchend Dirndl, von Mama selbst geschneidert, mit Schürze. Dazu hohe schwarze Schühlein mit Gummisohle.
Mama stellte die Waschschüssel auf das Stockerl, ich wusch mich und sie machte mir schöne stramme Zöpfe. Nun sollte ich noch voarmaßen, aber dazu war ich viel zu aufgeregt. Ich holte meine neue Schultasche aus der Stube. Sie war braun, aus Pappkarton, mit Jute überzogen, darin eine nagelneue Griffelschachtel mit zwei Griffeln und eine
Tafel. Wie war ich stolz darauf. Der Tate hat sie mir von Innsbruck mitgebracht.
Jeden Tag habe ich sie ein und ausgepackt und betrachtet, etwas auf das Täfelchen geschrieben, mit dem Schwämmchen gelöscht und mit dem Tafeltuch nachgewischt. Einige Buchstaben habe ich schon meinen Geschwistern abgeschaut. Und jetzt war es soweit! Noch eine Weste und ein Kopftüchl und ich machte mich mit Mama auf den Weg.
Es war so ungefähr halb 7 Uhr. Man musste ja früh genug in der Kirche sein, am ersten Schultag ist immer ein Gedränge, hat es geheißen. Um viertel nach 7 Uhr war das „Kirchen“. Zum ersten Mal die Hand meiner Mutter loslassend, ging ich in die Kinderstühle. Lauter fremde Gesichter. Da kam schon die besagte Klosterfrau. Eigentlich hat sie mir keine Angst eingejagt. Sie kniete außen an der Bankreihe und hatte alles im Auge. Nach der Messe gingen wir gemeinsam ins Schulhaus. Gott sei Dank hatte mich Mama wieder an der Hand. Ein Mädchen war alleine – es hat geweint. Jetzt kam wieder die dicke Klosterfrau angewalzt. Sie hatte ein freundliches Gesicht und eine feine Stimme. Das machte mir Mut, denn Mama musste jetzt gehen. Hilflos standen wir herum und betrachteten den fremden Raum, die großen Fenster, die hellen Lampen und die vielen Bänke mit den Tintenfässern, bis uns die Klosterfrau in eine der drei Reihen einteilte. Neben wem ich sitzen musste, war ja egal, denn ich kannte ja sowieso niemanden. (Und gerade diese Banknachbarin ist auch heute noch meine beste Freundin.) Dann stellte sich die Klosterfrau als unsere Lehrerin vor, und als Erstes wurde einmal gebetet.
„Im Namen Gottes fang ich an, mir helfe Gott, der helfen kann, wenn Gott mir hilft , wird alles leicht, wenn Gott nicht hilft , wird nichts erreicht. Drum ist das Beste, was ich kann, im Namen Gottes fang ich an.“
Und jetzt setzen und die Hände auf die Bank! So recht habe ich damals den Sinn dieses Gebetes bestimmt nicht verstanden, aber in meinem Kopf ist es doch geblieben. Nun waren wir „installiert“. Unsere Schwester – so mussten wir sie nennen -, gab uns noch mehrere Anweisungen. Z. B. wo die Schuhe hinkommen, wo der Aport ist und wie wir uns melden müssen, wenn es uns mal drängt. Für den nächsten Tag musste jedes Kind ein Schüsselchen und einen Löffel mitbringen für die Schulsuppe. Übrigens, auf die Suppe haben wir uns jeden Tag gefreut.
Somit war der erste Tag zu Ende. Also erst morgen durften wir die Tafel herausnehmen, wo ich doch heute schon so gerne geschrieben hätte. Zum Schluss betete die Schwester noch das Schulgebet vor, welches wir dann vier Jahre jeden Tag gesprochen haben.
„Wir gehen von der Schule fort, Herr bleib bei uns mit deinem Wort und gib uns deinen Segen, auf allen unseren Wegen.“
PS: So ein Schulbeginn ist für heutige Begriff e völlig unverständlich, wo die Kids doch so blitzgescheit, mit einem Patzen Selbstbewusstsein und tollstem Outfit ausgestattet sind.