Christbaum holen!
Anno Dazumal - Franz Wechselberger erzählt

Zu meiner Kindheit war es noch üblich, sich den Christbaum selber im Wald zu holen. Es muss 1948 oder 1949 gewesen sein, als auf dem Schulweg einer sagte: „I geh heit a die Christbame!“ „I geh a mit“, und glei woren vier bis fünf beinander, de a mitgehen wollten. „Aft treff’ma ins beim Scheulinger um 1.“ Beim Abmarsch hatte sich der Haufen noch vergrößert: Mein Bruder Manfred und Erich, der Bruder von Holis Franz, hent a mitgangen. Jeder wor ausgerüstet mit an Hackl, Gau oder Bamsagl, und jeder hot no die bessera Schneid g’hobt.
Mir hem über die Stilluperreiben aufn, beim Kreuz vorbei bis Arzkasten. Docht hem mir noch links Richtung Pflanzgarten. Es wor schu an Haufen Schnea. Auf einmal schrie Gschierer Hansl: „Schautits, wos des für a schianer Christbam ischt!“ Er zeigte auf eine große Tanne, deren Gipfel wirklich schön ausschaute, aber der Baum war zu groß, um ihn umzuhacken. Hansl musste hinaufsteigen. Als der Gipfel endlich fiel, war der Jubel groß. Nun wurde der Baum aus der Nähe betrachtet. Das war kein Christbaum! Wahrscheinlich war er in seiner Jugend auf einer Seite von einem Hirsch angefressen und total verstümmelt worden. Die Enttäuschung war groß – für einen Christbaum war er nicht zu gebrauchen, und wir ließen ihn einfach liegen. Und auch die schöne große Tanne ohne Gipfel blieb zurück. Der Liebel Horst war derweil weitergegangen und hatte in der Zwischenzeit einen schönen Christbaum gefunden und abgehackt.
Plötzlich: ein Schuss! „A Jager! – Do meg’ma iatz aufpassen!“, meinte einer von uns. Wir waren oberhalb vom Pflanzgarten, da ging eine Rinne hinauf, und links waren alles junge Tannen. „Do find’ma iatz sicher schiane Bame!“ Wir gingen weiter die Rinne hinauf. Da regte sich plötzlich etwas im Unterholz – „Do oben ischt eppa!“ Wir blieben stehen und lauschten … Stille … totale Stille … nichts. Da wir nichts sahen, wollten wir weitergehen. Da schrie eine Stimme: „Halt!!“
Wie in Stein gemeißelt blieben wir stehen. Nun trat eine Gestalt mit schwarzem Gesicht hinter einem Baum hervor, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Einer von uns sagte: „A Wilderer!“ Für einen Moment herrschte wieder eine unglaubliche Stille. Auf einmal schrie er: „Verschwidits oder i schiaß enk ochn!!“ Mehrer hot’s nit gebraucht. Die Vorderen hatten kehrt gemacht und uns in der zweiten Reihe schier gar übersprungen. Hacklang, Gau und Bamsage hent gflogn, und eine wilde Jagd ging Kopf über Arsch den steilen Hausrerberg hinunter, als ob der Teufel hinter uns her wäre. Keiner wollte der letzte sein und keiner blieb stehen, bis wir unten im Firchat waren.
Alle lagen wir im Schnee und hatten keine Luft mehr – und auch keinen Christbaum. Meine Hose hatte hinten einen Riss, und der Erich hatte sogar einen Schuh verlornen. Das ärgerte ihn später noch sehr, denn es waren Brennerpatschen mit Reißverschluss. Die standen bei uns Kinder hoch im Kurs – nun saß er da mit nur einem Schuh. Auf einmal brach die ganze Horde in ein Lachen aus, das kaum mehr zu stillen war. Es war wirklich ein super Abenteuer, das man nicht alle Tage erlebt und auch nie vergessen wird.